Nix geleistet, aber viel zu hohe Ansprüche
Ein Generationenkonflikt auf dem Arbeitsmarkt
Der Gen Z wird vorgeworfen, faul zu sein und keine Arbeitsmoral zu haben. Das sehe ich etwas anders...
Guten Tag, wir sind die Generation Feierabend
Ende Mai sagte die Managementberaterin Susanne Nickel in einem BILD-Interview:
"Die Generation Z zeigt sich meist fordernd, dünnhäutig und häufig auf dem Sprung. Morgen arbeiten sie für jemanden anders, weil sie bei Schwierigkeiten schnell einknicken und sie sich die Jobs aussuchen können."
Und in einem Kommentar im Handelsblatt schreibt sie unter anderem:
"Doch ist die Fokussierung auf eine Generation, die ständig mit dem Gedanken des Jobwechsels beschäftigt ist, weil das Gehalt als zu niedrig oder das Stresslevel als zu hoch empfunden wird, eine gute Strategie bei der Besetzung offener Stellen? Ganz klar nein! [...] 'Top Digital Skills', aber 'Flop Soft Skills': So die Erfahrung vieler Personalchefs mit der Generation Z. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Doch die Mehrheit tickt so."
So oder so ähnlich klingt es auch in vielen Reportagen oder Talkshows zum Thema Gen Z auf dem Arbeitsmarkt und in den Kommentarspalten von entsprechenden Beiträgen, da werden wir auch gerne einfach nur als Generation Feierabend bezeichnet. Na ja, wie wär's mal sich das Thema ein bisschen differenzierter anzuschauen, anstatt verbittert rumzuschimpfen?
Ein paar Dinge stimmen ja
Zum Beispiel, dass wir Anforderungen stellen und uns nicht zugrunde arbeiten wollen. Und, dass wir uns Jobs aussuchen können. Denn: Die Boomer gehen nach und nach in Rente und das heißt, es werden mehr Stellen frei als Gen Z Leute nachkommen. Es gibt also tendenziell mehr Jobs als Arbeitnehmer*innen. Das ist eine ungewohnte Situation, man könnte sagen eine Umkehrung der Machtverhältnisse und hat eben zur Folge, dass wir Ansprüche stellen können. Sorry not sorry. Wir wollen zum Beispiel flexiblere Arbeitsbedingungen, eine faire Bezahlung, haben Bock auf Unternehmen, die mit der Zeit gehen und zukunftsfähig sind und auf eine Work-Life-Balance (zum Beispiel durch die Vier-Tage-Woche), uns ist Nachhaltigkeit und Wertschätzung wichtig, wir hätten gerne eine gute Feedbackkultur, Aufstiegschancen, Weiterbildungsmöglichkeiten, etc. - kurz: Wir verlangen eigentlich nichts Utopisches.
Und ganz ehrlich: Das checken auch schon ziemlich viele. Immer mehr Unternehmen passen sich nämlich an, um Mitarbeiter*innen zu gewinnen und zu halten. Oder um es mit den Worten von Nickel zu sagen: Sie buckeln vor uns, was ihrer Meinung nach zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem führen wird - ich hingegen glaube eher, dass wir ein gesamtgesellschaftliches Problem bekommen, wenn die Gen Z alles so weiterlaufen lässt wie bisher und sich nicht für Veränderung einsetzt.
Aber unsere Forderungen sind wahrscheinlich nicht mal der größte Triggerpunkt. Ich glaube, den Leuten, die am lautesten auf uns schimpfen, geht es um etwas anderes - ums Prinzip.
Denn Arbeit ist einfach nicht mehr unser kompletter Lebensinhalt - ja, tatsächlich, das ist eine Option. Ich muss mich gar nicht mein ganzes Leben lang für die Arbeit aufopfern und bin trotzdem was wert. Ich verstehe, das ist ungewohnt, aber kann das nicht vielleicht eine gute Entwicklung sein, wenn man mal die ich-musste-hart-arbeiten-und-mich quälen-und-hatte-wenig Freizeit-also-müsst-ihr-das-jetzt-auch-Gedanken beiseite schiebt?
Wir haben gesehen, dass die Generation unserer Eltern zu viel und gar nicht mal so selten auch ziemlich ungern gearbeitet hat. Sie haben ihr ganzes Leben gebuckelt, um jetzt kurz vor der Rente zu sterben oder zu merken, dass mehr Zeit für Familie, Freund*innen und Hobbys doch irgendwie viel wert gewesen wäre. Zwischen Burn Outs, Scheidungen und Herzinfarkten ist das gar nicht mal ein so besonders attraktives Beispiel für einen Lebensentwurf, muss ich gestehen.
Das sehen sogar die Babyboomer selbst teilweise, unter einem YouTube-Video schreibt jemand:
"Ganz ehrlich. Ich feiere das. Bin 61er Jahrgang und wir wissen, wie man beschimpft wird, wenn man Familie, Freunde und Freizeit vorne hinstellt und erst danach die Arbeit kommt. Ich habe immer nur gearbeitet, um mir meine Freizeit leisten zu können. Arbeit war ganz OK und Arbeitskollegen auch, aber dafür wurde ich nicht auf die Welt gesetzt. [...]."
Doch bevor ich hier weiter mit Generationen-Klischees um mich werfe folgt ein kurzer Exkurs zu den verschiedenen Generationen, die natürlich eher fließend und nicht in Jahreszahlen gemeißelt sind und natürlich in der Realität gar nicht so sehr verallgemeinert werden können. Aber es geht um Tendenzen...
Die Generationen und ihr Worklife im Überblick
Babyboomer (1946 bis 1964):
Die Boomer haben immer super hart gearbeitet und sind da auch super stolz drauf - ihre Arbeit ist ihre Persönlichkeit und sie haben den Begriff Workaholic oder Burn Out Culture geprägt. Aber klar, harte Arbeit wurde belohnt und hat zu Erfolg geführt - aber eben auch zu einer schlechten Work-Life-Balance
Generation X (1965 bis 1979):
Die Gen X hat den Lebensstil der Babyboomer mitbekommen und legt etwas mehr Wert auf eine Work-Life-Balance, sie hat weniger mit Burn Outs zu kämpfen, arbeitet aber hoch effizient und hat genau wie die Boomer noch eine eher starke Bindung zum Unternehmen
Millennials/Generation Y (1981 bis 1995):
Die Millennials haben zwar keine Angst mehr davor, den Arbeitsplatz auch mal zu wechseln und ihnen ist außerdem Flexibilität wichtig, sie überzeugen aber mit viel Motivation und Belastbarkeit und verlieren sich schon auch gerne mal in Überstunden-Battles - Stichwort Hustle-Culture
Gen Z (1996 bis 2010):
Flexible Arbeitszeiten und eine moderne Unternehmenskultur sind sehr wichtig, Themen wie Mental Health oder Nachhaltigkeit sind präsent und die Ansprüche an Arbeitgeber steigen, der Fokus liegt auf Selbstverwirklichung - es muss nicht mehr unbedingt der steile Karriereweg verfolgt werden
Aber woher kommt das, dass Ziele im Job aus dem Fokus verschwinden und Wohlbefinden und Selbstverwirklichung immer wichtiger werden? Das liegt meiner Meinung nach nicht nur daran, dass Awareness für Gesundheit und ein erfülltes Leben steigen, sondern auch daran, dass es sich für die meisten auch einfach nicht mehr lohnen würde, sich für den Job komplett aufzuopfern.
Bye bye, Wohlstandsversprechen
Jahrzehnte lang galt, dass es den Kindern besser geht als ihren Eltern. Die Millennials waren dann die erste Generation der Nachkriegsgeschichte, bei der das so nicht mehr unbedingt stimmte - und das zieht sich zur Gen Z durch. Die Miet- und Immobilienpreise sowie Lebenshaltungskosten steigen enorm, das Einkommen passt sich allerdings nicht im gleichen Maß an. Klar, im Gesamten betrachtet geht es Deutschland so gut wie nie, aber schaut man genauer hin sieht man, dass die Mittelschicht von unten wegbröckelt und sozialer Aufstieg zunehmend schwieriger wird - immer weniger junge Menschen halten es für realistisch, sich eines Tages mal Wohneigentum oder (mehrere) Kinder leisten zu können oder glauben daran, später mal von ihrer gesetzlichen Rente leben zu können. Warum sollten sich also alle aufopfern, damit sich das Wohlstandsversprechen für ein paar wenige erfüllt? Der neoliberale "du kannst alles schaffen wenn du nur hart genug arbeitest-Traum" schwindet langsam...
Deswegen ist es mir auch wichtig zu sagen: Ich will keinen privilegierten Office-Aufstand, sondern strukturellen und gesellschaftlichen Wandel. Denn ich höre schon die "wir brauchen auch Menschen die Jobs machen, die keine*r machen will" und die "es kann nun mal nicht alles Home Office und Workation sein"- Rufe. Und ja, Recht haben sie! Aber auch, um Menschen für diese Jobs zu gewinnen, muss sich etwas verändern - auch da müssen die Strukturen und die Bezahlung endlich stimmen. Ich sage ja nicht, dass die Vier-Tage-Woche oder eine Urban Sports-Mitgliedschaft in jeder Branche das Allheilmittel ist.
Aktuell heißt es für viel von uns: Wenig Perspektive, aber dafür Krisen
Denn das Wohlstands-/Aufstiegsversprechen gibt's nicht mehr so wie früher - jetzt viel arbeiten, um sich dafür auch viel leisten zu können und später eine geile Rente zu bekommen ist für viele schlichtweg Quatsch. Unter einer Stern TV Reportage schreibt jemand:
"Es fehlt einfach an Perspektive. Damals wusste man 'Bin ich fleißig, kann ich mir ein gutes Leben für mich und meine Familie leisten.' Heutzutage ein Haus kaufen, Auto, Urlaub? Für die Mittelschicht schon kaum noch zu erreichen. Nichtmal die Rente ist mehr gesichert. Warum also fleißig sein? Für wen? Genau - für meinen Chef, damit der noch reicher wird?"
Gleichzeitig wird aber von uns erwartet, dass alles immer effizienter und schneller wird und wir am besten 24/7 erreichbar sind. Das clasht enorm.
Geld ist aber nicht das einzige Problem
Auch abseits der Rente ist unsere Zukunft mit Blick auf Kriege und Umweltkatastrophe ziemlich unsicher. All das hinterlässt auch bei den Millennials langsam seine Spuren - gerade eben konnten sie noch unbeschwert über die Gen Z am Arbeitsplatz lachen, im nächsten Moment müssen sie feststellen, dass auch sie - wie eine Studie feststellte - im Job zunehmend unzufrieden sind, weniger Sinn in ihrer Arbeit sehen und das Gefühl haben, nicht fair entlohnt zu werden. 2022 gab es dann zum Beispiel auch einen größeren Hype um die Anti-Work-Bewegung, mehr dazu findest du hier.
Was können wir also festhalten?
Wenn Rente oder Wohlstandsversprechen keine realistischen Ziele mehr sind, brauchen wir eben andere Zückerli. Man kann den Spieß nämlich auch umdrehen und zu den Arbeitgeber*innen sagen: Nix geleistet, aber viel zu hohe Ansprüche. Wenn wir motiviert, fleißig und loyal sein sollen - gebt uns Gründe dafür.
Es ist nämlich gar nicht so, als wolle von der Gen Z niemand mehr richtig arbeiten und als wären alle faul und illoyal - wir hätten nur gerne andere Bedingungen. Ich kenne niemanden, der gar nicht mehr arbeiten will, aber ich kenne viele Menschen, die sich eben nicht mehr ohne Perspektive für den Job aufopfern wollen. Unter einer Doku auf YouTube schreibt jemand:
"Wir haben nicht kein Bock auf Arbeit, wir haben nur kein Bock uns dabei ausbeuten zu lassen damit sich irgendein Holzkopf ein 4. Ferienhaus kaufen kann."
Ich feier's extrem, dass die Gen Z das erkennt und etwas verändern will.
Und sowieso, das Thema ist gar nicht so schwarz-weiß, wie es Boomer und Gen Xler gerne hinstellen.
Menschen, die für ihren Job brennen und ihre Arbeit zum Lebensmittelpunkt machen wird es immer geben und die gibt es auch zu Hauf in der Gen Z. Das ignorieren diejenige, die sich über die Gen Z echauffieren, nur eben allzu gerne.
Abgesehen davon: Nur weil ich Burn Outs nicht glorifiziere, Überstunden-Wettbewerbe peinlich finde oder in meiner Freizeit auch gern mal über Dinge abseits von Work Work Work spreche, heißt das nicht, dass ich meinen Job nicht gut oder ungern machen würde. Im Gegenteil: Wenn wir nicht überarbeitet, sondern gesund und motiviert sind, haben am Ende alle gewonnen.
In diesem Sinne: Cheers - ich mach mal Feierabend und hüpf auf die Yogamatte.