Eine radikale Form des Klimaprotests
Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Jakob Beyer
Die Letzte Generation warnt davor, dass es bald zu spät ist, die Klimakatastrophe aufzuhalten. Und dafür nutzen sie eine neue, radikalerer Form des Protests.
Jakob Beyer ist Klimaaktivist der Letzten Generation und hat im Interview mit Gloria darüber gesprochen, welche Forderungen die Klimaaktivist*innen an die Politik stellen und warum sie trotz der Konsequenzen nicht aufhören werden.
Wie weit darf Protest gehen?
Über diese Frage wird aufgrund der Aktionen von Aktivist*innen der Letzten Generation seit einigen Wochen heftig diskutiert. Der Name, Die Letzte Generation, soll dabei ausdrücken, dass sie die letzte Generation sind, welche die Klimakatastrophe noch verhindern kann.
"Der Weltklimarat - also der Rat, auf den die Bundesregierung sich stützt, wenn sie ihre Klimaziele vereinbart, die sie regelmäßig nicht einhält - der hat in seinem letzten Bericht gesagt, dass wir bis 2025 noch Zeit haben, drastisch umzusteuern. Ansonsten wird es irgendwann zu spät." Jakob Beyer
Der Grund dafür, dass es ab einem gewissen Zeitpunkt zu spät sein wird, sind sogenannte Kipppunkte, das haben wir bereits hier genauer erklärt. Vor allem die Angst vor der Klimakatastrophe und einem möglichen Weltuntergang stehen bei der Letzten Generation also im Zentrum.
"Das heißt, zwei bis drei Jahre, ein sehr kurzes, sich schnell schließendes Zeitfenster, ist der Zeitrahmen, den wir noch haben. Und deswegen sind nicht nur wir, die wir uns als Gruppe Letzte Generation bezeichnen, sondern wir alle, die jetzt gerade leben, haben es gerade noch in der Hand, umzusteuern. Wir alle sind die letzte Generation, die dieser Katastrophe, die gerade kommt, noch etwas entgegen setzen kann." - Jakob Beyer
Für ihren Protest wählen sie bewusst einen anderen Weg, als Fridays for Future
Jakob erklärt, dass viele von ihnen, die jetzt Straßen oder Flughäfen blockieren, in den letzten Jahren bei Fridays for Future mitgelaufen sind und versucht haben, Politiker*innen mit legalen Protesten dazu zu bewegen, Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.
"Fridays for Future ist aber [...] das beste Beispiel dafür, dass der Protest der vergangenen Jahre nichts ausreichendes bewirkt hat." - Jakob Beyer
Das bedeutet nicht, dass Jakob Fridays for Future etwas absprechen will. Er betont, dass er der Bewegung sehr dankbar ist, zum Beispiel weil sie es geschafft haben, dass in der Mitte der Gesellschaft über Klimaschutz gesprochen wird. Dennoch braucht es seiner Ansicht nach jetzt einen anderen Weg, um endlich Maßnahmen durchzusetzen. Und da geht es für ihn auch nicht darum, möglichst beliebt zu sein oder alle Menschen hinter sich stehen zu haben, sondern darum, Druck auf die Regierung auszuüben.
"Wir dürfen nicht mehr ignoriert werden und da sehen wir den zivilen Widerstand, den wir leisten, einfach als das effektivste Mittel, was uns gerade noch zur Verfügung steht." - Jakob Beyer
Was eigentlich in Sachen Protest erlaubt ist und was nicht, das erfährst du hier im egoFM Reflexikon genauer.
Der Aktivismus der Letzten Generation polarisiert
Die einen sind positiv beeindruckt, die anderen genervt oder sogar wütend. Warum die Reaktionen so unterschiedlich ausfallen beim Thema Klimaschutz und warum es wenig sinnvoll ist, bei diesem Thema nur mit Menschen aus der eigenen Bubble zu reden, darüber haben wir mit der Sozialwissenschaftlerin Sarah Kessler gesprochen. Das komplette Interview findest du hier.
Strafrechtliche Folgen
In Bayern sitzen nun - teils immer noch, teils schon wieder - einige Aktivist*innen der Letzten Generation in Präventivhaft und in ganz Deutschland gab es diese Woche mehrere Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern. Der Vorwurf lautet Bildung einer kriminellen Vereinigung. Bei Jakob wurden innerhalb von drei Wochen sogar schon das zweite Mal die Zimmer von der Polizei durchsucht. Gleichzeitig gab es online unter dem Hashtag #WirAlleSindDieLetztGeneration eine große Solidaritätswelle.
Außerdem macht Jakob klar, dass die Letzte Generation definitiv trotz all dieser Maßnahmen weitermachen wird, weil das, was auf dem Spiel steht, so wichtig ist. Denn drei Milliarden Menschen werden in Zonen leben, die dann unbewohnbar sind, wenn jetzt nichts gegen die Klimakatastrophe unternommen wird, sagt Jakob. Deswegen werden weder ein Verbot, wie es beispielsweise die Stadt München verhängt hat, noch Geld- und Haftstrafen die Aktivist*innen von ihrem Protest abhalten.
"Am Ende muss die Gesellschaft entscheiden, wer hier eigentlich die Kriminellen sind. Sind wir es, die Straßen blockieren, oder ist es die Regierung, die unser Leben nicht schützt?" - Jakob Beyer
Aber wie weit ist zu weit?
Einige haben Angst davor, dass durch die Proteste der Letzten Generation Menschen zu Schaden kommen.
"Was wir mit unseren Aktionen erreichen wollen, ist das Leben zu schützen und deswegen werden wir auch bei allen unseren Aktionen darauf aufpassen, dass kein Mensch zu Schaden kommt. Das ist immer höchstes Gebot. [...] Wir haben immer eine Rettungsgasse, wir wollen dass das Leben aller Menschen geschützt wird. Darum geht's." - Jakob Beyer
Auch die Mitschuld daran, dass Ende Oktober in Berlin eine Radfahrerin im Stadtverkehr verunglückt und kurz danach gestorben ist, ist inzwischen durch die Notärztin, die vor Ort war, widerlegt, sagt Jakob.
Nichtsdestotrotz rechnen Jakob und viele andere von der Letzten Generation damit, dass die Gewalt gegen die Protestierenden weiter zunimmt.
Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Aktivist*innen nun quasi von offizieller Stelle mit dem Vorwurf belastet wurden, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Dabei ist die Anspannung auf der Straße ohnehin schon groß, da nie vorhersehbar ist, wie gewaltsam die Reaktionen gegen sie werden. Und dabei darf auch eines nicht vergessen werden, so der Aktivist:
"Keiner von uns tut das gerne, keiner von uns ist auch gerne in eine Zelle eingesperrt und keiner von uns lässt sich gerne morgens um sechs von einer ganzen Mannschaft der Polizei die Wohnung durchsuchen." - Jakob Beyer
Er merkt außerdem an, dass der Protest (vorerst) aufhören würde, wenn die Sicherheitsmaßnahmen, die sie fordern, umgesetzt werden. Und das sind aktuell nur zwei:
Ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen.
Die Einführung eines bezahlbaren Personennahverkehrs durch ein 9-Euro-Ticket.
"Das sind ganz einfache Maßnahmen, die sofort umsetzbar sind, die Regierung ist aber nicht mal bereit, diese kleinsten Schritte zu gehen. Und solange sie nicht bereit ist, selbst diese einfachen Maßnahmen umzusetzen ist es ganz deutlich, dass es an uns al Zivilgesellschaft liegt, jetzt einfach den Druck zu erhöhen damit sie endlich ins Handeln kommen." - Jakob Beyer
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